Ein Sturm beeindruckender Filme


In den 1970er und 1980er Jahren gab es hierzulande einen Lateinamerika-Boom im Bereich der Literatur: Gabriel García Márquez, Mario Vargas Llosa und viele andere wurden als Erzähler mit dem Etikett des "Magischen Realismus" in Deutschland rezipiert und vermarktet. Dieser Boom ist Vergangenheit, er hat freilich manche problematische Stereotypen des Subkontinents geprägt, gegen die vor allem die jüngere Generation ankämpft. Viel weniger zur Kenntnis genommen hat man andere Kunstformen: das Theater und vor allem den Film, der aus der relativen Armut der Produktionsländer und der daraus resultierenden Beschränkung der Mittel immer schon eine Stärke gemacht hat. Seit Luis Buñuels Filmen in Mexiko, seit dem "Cinema Novo" der 1960er Jahre in Brasilien ist der lateinamerikanische Film aber mit künstlerisch anspruchsvollen, intensiven und beeindruckenden, wenn auch durch die internationalen Verleih- und Vertriebskanäle nur sporadisch durchdringenden Streifen zumindest für Kenner wenigstens ebenso ein Fixpunkt gewesen wie die Romane der großen Erzähler. In den letzten beiden Jahrzehnten haben es einige Filme wie "Amores perros" geschafft, sogar in die Oscar-Nominierungen vorzustoßen – meistens allerdings um den Preis der erstickenden Umarmung durch die US-Filmindustrie, die die großen Regisseure nach Hollywood "heimzuholen" und damit zu entschärfen versucht hat. Daneben hat aber ein wahrer Wirbelsturm an neuen, ästhetisch anspruchsvollen Filmen eingesetzt, die immer häufiger – wenigstens bei Festivals – auch in Europa ihr Publikum finden. Eine besondere Stellung nimmt dabei der kubanische Film ein, der in einem Land produziert wird, in dem sogar das Papier für den Buchdruck rationiert ist, sich gegen eine Zensur zu behaupten hat und dennoch – oder gerade deshalb – zu höchsten künstlerischen Leistungen – von Kurzfilmen bis zu abendfüllenden Spielfilmen – gelangt ist. Es ist eine Freude und Ehre für das Institut für Romanische Philologie der LMU, Gastgeber für das Filmfestival FICCU zu sein, das einen Überblick über die verschiedensten Gattungen und Perioden des kubanischen und des lateinamerikanischen Films allgemein bietet. Als Lateinamerikanist und als Geschäftsführender Professor freue ich mich daher ganz besonders über diese Veranstaltung und wünsche ihr und ihren Organisationen viel Erfolg, vor allem aber viele Zuseher, die sich diese einmalige Schau der Kurz- und Spielfilme eines materiell armen, künstlerisch aber immens reichen Kontinents nicht entgehen lassen!


Michael Rössner




München, im September 2007


 

Institut für Romanische Philologie der LMU

foto @Elvira Rodríguez Puerto